6.11.1997

Barnabókasýning í Hamborg

Mehr als Trolle, Eis und Feuer
Isländische Kinder- und Jugendkultur
Hamburg, 6. November 1997

Es ist mir eine Freude, hier zur Eröffnung dieser umfangreichen Präsentation von Kinderbüchern und Illustrationen aus Island einige Worte sagen zu können. Im letzten Jahr traf ich in Island mit Vertretern der Katholischen Akademie Hamburg zusammen. Ihr Besuch verdeutlichte mir die großen Ambitionen, die hinter dem Wunsch standen, die Ausstellung zu ermöglichen. Die gesamte Vorbereitung stand unter diesem Eindruck, und ich möchte all jenen herzlich danken, die zur Verwirklichung eines guten Gedankens beigetragen haben. Gleichzeitig möchte ich den Autoren und anderen Künstlern für ihre Beiträge danken.

In der renommierten Neuen Züricher Zeitung erschien vor einigen Wochen eine ausführliche Übersicht isländischer Publikationen und des Literaturerbes, das in unserer Nation fest verwurzelt ist. In der Tat fußt das Selbstbewußtsein der Isländer seit jeher auf Erzähltradition und Literatur. Der schweizerische Journalist Andreas Doepfner formuliert dies unter anderem so:

³Island produziert proportional zur Bevölkerung mehr Kinderbücher als irgendeine Nation, eigene und übersetzte. Sogar diese Tradition ist alt, wenn auch nicht so alt wie die Sagas, und sie erlebt seit 1975 eine zweite Blütezeit. Die Sagas bestimmten jahrhundertelang das Lesen und das Schreiben in Island.²

Ich erlaube mir, diese Worte zu zitieren und schätze ihre positive Haltung. Ich hoffe außerdem, daß diese Ausstellung und das Engagement der isländischen Künstler, die dazu beigetragen haben, die zitierten Worte bestätigen werden.

Der Titel dieser Ausstellung stellt eine gewisse Provokation jenes Islandbildes dar, das häufig entfaltet wird, um Land und Kultur Islands zu beschreiben. Auch wenn wir an Elfen und Trolle glauben und in enger Nachbarschaft von Feuer und Eis leben, ist die isländische Gesellschaft doch hochmodern. Wir setzen uns mit den selben Themen auseinander wie jede andere, entwickelte Kulturnation.

Unsere Sonderstellung besteht vor allem darin, daß wir nur 270.000 Menschen sind und unter unseren eigenen Prämissen, mit unserer eigenen Sprache eine Gesellschaft bilden wollen, die auch dem anspruchsvollsten Vergleich genügt.

Die Sprache kann nicht gedeihen und blühen, ohne daß die Jugend sie lernt und im Alltag benutzt. Ohne gute Literatur erhält sie darin keine angemessene Ausbildung.

Im internationalen Vergleich hat sich herausgestellt, daß isländische Schüler in naturwissenschaftlichen Fächern sowie Mathematik schlechter abschneiden, jedoch um so besser, wenn Lesefähigkeiten beurteilt werden. Eine Erklärung dafür scheint darin zu liegen, daß es in Island eine reiche Literaturtradition gibt und es als selbstverständlich galt, Kindern zu Hause vorzulesen und sie zum Lesen anzuhalten. Mit veränderten Familienverhältnissen verlagert sich der Anreiz zum Lesen heute in stärkerem Maße auf die Schulen. Die Schulen reagieren auf diese neuen Anforderungen unter anderem mit Lese-Wettbewerben, deren Teilnehmerzahlen immer wieder freudiges Erstaunen hervorrufen.

Ganz sicher hat dieses deutliche Interesse am Lesen und an Büchern viele gute Schriftsteller Islands dazu ermuntert, für die jüngere Generation zu schreiben. Gleichzeitig ist es ein großer Ansporn, die Gelegenheit zu haben, an einem Ereignis wie diesem teilzunehmen. Ich bin davon überzeugt, daß es ebenso positiv für die isländischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer verlaufen wird, wie hoffentlich für diejenigen, die diese Ausstellung und die damit verbundenen Veranstaltungen hier in Hamburg besuchen werden.

Indem ich die Dankbarkeit der Isländer an die Katholische Akademie Hamburg nochmals unterstreiche, überbringe ich ihr herzliche Glückwünsche zu dieser Initiative mit dem Wunsch, daß möglichst viele Besucher Freude daran haben werden, diesen wichtigen Bestandteil isländischer Kultur kennenzulernen.